1. 1

    Hannes Wader - Das Einheitsfrontlied

  2. 2

    Hannes Wader - Schön Ist Die Jugend

  3. 3

    Hannes Wader - Die Internationale

  4. 4

    Hannes Wader - Talking-Böser-Traum-Blues

  5. 5

    Hannes Wader - Aufgewachsen Auf Dem Lande

  6. 6

    Hannes Wader - Heute Hier, Morgen Dort

  7. 7

    Hannes Wader - Im Garten (Liebeslied)

  8. 8

    Hannes Wader - Kleine Stadt

  9. 9

    Hannes Wader - Landsknecht

  10. 10

    Hannes Wader - Langeweile

  11. 11

    Hannes Wader - Alle Meine Freunde

  12. 12

    Hannes Wader - Am Fluß

  13. 13

    Hannes Wader - Ankes Bioladen

  14. 14

    Hannes Wader - Arschkriecher - Ballade

  15. 15

    Hannes Wader - Auf, Auf Zum Kampf

  16. 16

    Hannes Wader - Begegnung

  17. 17

    Hannes Wader - Bella Ciao

  18. 18

    Hannes Wader - Blumen des Armen

  19. 19

    Hannes Wader - Brüder Seht Die Rote Fahne

  20. 20

    Hannes Wader - Charley

  21. 21

    Hannes Wader - Cokain

  22. 22

    Hannes Wader - Damals

  23. 23

    Hannes Wader - Dar buten inne Masch

  24. 24

    Hannes Wader - Dar Weer Een Mal 'ne Lüttge Buurdeern

  25. 25

    Hannes Wader - Das Bier in dieser Kneipe

  26. 26

    Hannes Wader - Das Bürgerlied

  27. 27

    Hannes Wader - Das Notabene

  28. 28

    Hannes Wader - Dass Nichts Bleibt Wie Es War

  29. 29

    Hannes Wader - Dat du min leefste büst

  30. 30

    Hannes Wader - Day To Day

  31. 31

    Hannes Wader - De Groffschmitt

  32. 32

    Hannes Wader - De Kock

  33. 33

    Hannes Wader - De Moel

  34. 34

    Hannes Wader - Dem Morgenrot entgegen

  35. 35

    Hannes Wader - Der Tankerkoenig

  36. 36

    Hannes Wader - Der Kleine Trompeter

  37. 37

    Hannes Wader - Der Kuckuck

  38. 38

    Hannes Wader - Der Rattenfänger

  39. 39

    Hannes Wader - Der Winter ist vergangen

  40. 40

    Hannes Wader - Die Ballade von der Hanna Cash

  41. 41

    Hannes Wader - Die Blumen Der Armen

  42. 42

    Hannes Wader - Die Freie Republik

  43. 43

    Hannes Wader - Die Moorsoldaten

  44. 44

    Hannes Wader - Die Thälmann-Kolonne

  45. 45

    Hannes Wader - Dioxin

  46. 46

    Hannes Wader - Eine Die Du Nicht Kennst

  47. 47

    Hannes Wader - El pueblo unido

  48. 48

    Hannes Wader - Eltern

  49. 49

    Hannes Wader - Es Ist An Der Zeit

  50. 50

    Hannes Wader - Es Ist Schon Viele Jahre Her

  51. 51

    Hannes Wader - Gut Wieder Hier Zu Sein

  52. 52

    Hannes Wader - Hamborger Veermaster

  53. 53

    Hannes Wader - Hartleed

  54. 54

    Hannes Wader - He sä mi so vel

  55. 55

    Hannes Wader - Hör auf, Mädchen

  56. 56

    Hannes Wader - Hotel Zur Langen Dämmerung

  57. 57

    Hannes Wader - Indian Summer

  58. 58

    Hannes Wader - Keen Graff is so breet

  59. 59

    Hannes Wader - Kleines Testament

  60. 60

    Hannes Wader - Kokain

  61. 61

    Hannes Wader - König von Preußen

  62. 62

    Hannes Wader - Leben Einzeln Und Frei

  63. 63

    Hannes Wader - Lied Vom Knüppelchen

  64. 64

    Hannes Wader - Lothar

  65. 65

    Hannes Wader - Lütt Anna-Susanna

  66. 66

    Hannes Wader - Lütt Matten

  67. 67

    Hannes Wader - Mamita mia

  68. 68

    Hannes Wader - Manche Stadt Und Manch Ein Land

  69. 69

    Hannes Wader - Manche Stadt, Manch Ein Land

  70. 70

    Hannes Wader - Min Jehann

  71. 71

    Hannes Wader - Mit Eva Auf Dem Eis

  72. 72

    Hannes Wader - Monika

  73. 73

    Hannes Wader - Nach 12

  74. 74

    Hannes Wader - Ol Man de wull riden

  75. 75

    Hannes Wader - Rohr Im Wind

  76. 76

    Hannes Wader - Rosen Im Dezember

  77. 77

    Hannes Wader - Sag Mir, Wo Die Blumen Sind

  78. 78

    Hannes Wader - Schon Morgen

  79. 79

    Hannes Wader - Schon So Lang

  80. 80

    Hannes Wader - Shenandoah

  81. 81

    Hannes Wader - So trollen wir uns

  82. 82

    Hannes Wader - Solidaritätslied

  83. 83

    Hannes Wader - Sommerlied

  84. 84

    Hannes Wader - Steh Doch Auf, Du Armer Hund

  85. 85

    Hannes Wader - Strom der Zeit

  86. 86

    Hannes Wader - Tankerkönig

  87. 87

    Hannes Wader - Traum Vom Frieden

  88. 88

    Hannes Wader - Trina, komm mal voer de Doer

  89. 89

    Hannes Wader - Trotz Alledem

  90. 90

    Hannes Wader - Unterwegs Nach Süden

  91. 91

    Hannes Wader - Weile an dieser Quelle

  92. 92

    Hannes Wader - Wenn Du Meine Lieder Hörst

  93. 93

    Hannes Wader - Wer Weiss

  94. 94

    Hannes Wader - Wie schön blüht uns der Maien

  95. 95

    Hannes Wader - Wieder Eine Nacht

  96. 96

    Hannes Wader - Wilde Schwäne

  97. 97

    Hannes Wader - Wo Soll Ich Mich Hinwende

  98. 98

    Hannes Wader - Wünsche

  99. 99

    Hannes Wader - Zogen Einst Fünf Wilde Schwäne

Tankerkönig

Hannes Wader

Es war an einem Morgen im Frühjahr, als ich meinen ersten Anfall bekam Ich hatte so ,n bisschen über mich und das Leben nachgedacht als mir plötzlich speiübel davon wurde Und irgendwas drückte mir den Hals so zu, dass ich dachte ich müsste ersticken.

Ich stürzte auf die Straße, schnappte wie ein Irrer nach Luft aber es kam noch viel schlimmer Mir wurde schwindelig, ich drehte mich zehn Mal um mich selbst und dachte alle Leute zeigten mit den Fingern auf mich bis ich dann merkte, dass ich gar nichts an hatte.

Ich rannte und rannte, fand dann irgendein offenes Parterre-Fenster, kletterte rein und verkroch mich, zitternd vor Angst und Kälte in irgendeine Ecke.

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich merkte, dass ich mich in einem Trödelladen befand Der ganze Raum hing voll mit alten Klamotten und ich zog mir sofort eine Pluderhose, Stulpenstiefel und ein Kettenhemd an, hängte mir noch ne alte Armbrust über die Schulter und fühlte mich augenblicklich wieder gelassen und unangreifbar.

Ich marschierte über die Straße und stand dann plötzlich vor dem Personaleingang des Kaufhauses, wo ich bis dahin die Papierverbrennungsanlage bedient hatte Als ich das sah, wurde mir schlecht vor Wut Ich rannte den Pförtner über den Haufen, riss sämtliche Telefonkabel ab, brach die Stempeluhr aus der Wand und tobte weiter in die Verkaufsräume.

Als ich in die Spielwarenabteilung kam, stand der erste Verkäufer wieder mal von einem Stützpfeiler halb verborgen auf ner Leiter, um die Kinder beim Klauen besser erwischen zu können Die liefert er dann immer der Geschäftsleitung aus und kassierte dicke Prämien pro Nase Sein dreckiges Grinsen als er mich sah, brachte mich so auf, dass ich, ohne zu zielen meine Armbrust auf ihn abdrückte und der Bolzen fuhr ihm dicht am Hals vorbei durch den Anzugkragen und nagelte ihn am Pfeiler fest Ich trat die Leiter unter ihm weg und ließ ihn da hängen wie n Schluck Wasser Und während er zappelte und schrie, schmiss ich eine Stellage nach der anderen um und verteilte das Spielzeug unter die Kinder.

Und mitten im größten Tumult tauchte der Chef des Hauses auf und zischte mich an: „Was machen Sie denn da? Sofort kommen Sie mit in mein Büro, Sie Idiot!" Ich spannte nur meine Armbrust und sagte: „Leck mich doch am Arsch, du Motherfucker! Hände hoch und vorwärts!" Da sah er den Verkäufer am Pfeiler baumeln und wurde leichenblass Ich schubste ihn in den Lastenfahrstuhl ohne dass die Kunden deswegen stutzig wurden, die das ganze für ne Werbeaktion hielten, fuhr mit ihm in den Keller runter in die Papierverbrennung und gab ihm einen Tritt und er flog durch das riesige Ofenloch mitten ins Feuer Und als draußen die Polizeisirenen heulten war schon nichts mehr von ihm übrig.

Ich rannte nach draußen, warf die Armbrust weg, schwang mich auf ein herrenloses Damenfahrrad und jagte quer durch die City zum Ortsausgang Und nach einer Stunde Fahrt fiel ich halbtot vor Erschöpfung vom Rad und schlief unter einem Gebüsch ein Am nächsten Morgen war es eisig kalt Und mit der Kälte kam die Angst Ich hatte eine Führungskraft umgebracht, jetzt würde man mich überall suchen und hetzen Und in meiner Panik wühlte ich mich immer tiefer und tiefer in den Wald und gegen Mittag fand ich einen verlassenen Luftschutzbunker Die Tür war offen und in einer Ecke lag eine Maschinenpistole in Ölpapier gewickelt und eine Kiste Munition Ich setzte die Waffe zusammen, Sie funktionierte und ich fühlte mich sofort wieder unbesiegbar Ich beschloss, mich im Bunker einzurichten und mir gleich Vorräte zu beschaffen, um in der Illegalität überleben zu können.

Und noch am selben Tag knackte ich drei Banken Ich zwängte mich jedes mal mit dem Fahrrad durch die Tür, drehte eine Runde im Schalterraum, feuerte mit der MP in die Decke, dass der Kalk nur so spritzte und schrie: „Ich bin der Rattenfänger von Hameln, wo sind hier die Mäuse!!"

Und als ich auf diese Weise 100000 Mark zusammen hatte ging ich noch schnell in Supermarkt einkaufen und erreichte dann auf Schleichwegen wieder meinen Bunker.

[Gitarre]

Ich blieb so lange unsichtbar, bis keine Zeitungsmeldungen über mich mehr erschienen, beschaffte mir dann so nach und nach alles was ich brauchte und verlebte ein paar sehr ruhige Monate Ich pflanzte Hanf im Blumenpott, rauchte ab und zu einen Joint und schaukelte bei sonnigem Wetter in meiner Hängematte und hörte - die MP auf dem Bauch - die Hitparade im Kofferradio und war glücklich Aber wie alle glücklichen Leute nach ,ner Weile schon nahe am Verblöden Und um dem entgegenzuwirken schrieb ich zentnerweise Leserbriefe und badete ab und zu in einem eingezäunten See, der in der Nähe lag und der dem Tankerkönig gehörte.

Eines Mittags also - ich saß da ganz ruhig mit meiner MP im Wasser - stand da plötzlich einer vor mir in Hemdsärmeln, grüner Schürze, Strohhut, Spaten über der Schulter und meinte, das wäre Privateigentum, wo wir denn hinkämen, wenn das alle machen würden Ich sagte „ja wenn das alle machen würden, dann wäre der Tankerkönig bald weg vom Fenster mit Blick auf den See" Ich fragte ihn ob er es denn nötig hätte als Gärtner für den Tankerkönig den Büttel zu machen Meint er doch, ich bin nicht der Gärtner, ich bin der Tankerkönig Ich sagte: „Das ist doch nicht zu fassen, den Gärtner entlassen, die Dahlien selber begießen und das Geld für sie arbeiten lassen! Damit ist jetzt Schluss!!" Ich wollte sofort abdrücken, brachte es dann aber dann doch nicht fertig Und stattdessen zwang ich ihn einen Joint zu rauchen, so groß wie'n Ofenrohr Und ich sagte: „So! Und jetzt will ich mal sehen, wie Milliardäre so leben!"

Wir gingen die paar hundert Meter bis zu seiner Villa und als wir ankamen war er schon so high wie'n Weltmeister Er taumelte vor mir her in eine riesige Diele auf eine erlesene Sitzecke zu wo die Tankerkönigin saß und döste und so'n Hündchen im Arm mit blauer Schleife und rosa Arschloch und sie murmelte ohne die Augen zu öffnen „Rudi bist Du's? Denk dir, Ari Onassis hat uns eingeladen zur Safari" Der Tankerkönig glotzte seine Frau erst an als wenn er gar nichts begriffen hätte, fing dann an um sie rumzutanzen, äffte ihre Stimme nach „Mit Ari auf Safari" Die Tankerkönigin riss die Augen auf, sah uns und flüchtete kreischend die Treppe rauf Der Tankerkönig angelte sich die antike Streitaxt von der Wand und Ari Safari hinterher.

Da dachte ich „Das Schauspiel guckst du dir von draußen an Und ich setzte mich in die Hollywoodschaukel Da sah ich auch schon den Tankerkönig aus der Dachluke kriechen Die blutige Axt in der Hand breitete er die Arme aus, sprang und landete - klatsch - direkt vor meinen Füßen Ich ging erst mal zurück zum Bunker und legte mich schlafen.

Am nächsten morgen hörte ich dann die Nachrichten Die halbe Welt stand Kopf Es war auch von mir die Rede Die Tankerkönigin hatte ausgesagt Ihr Mann hatte mit seiner Axt nicht sie, sondern nur das Hündchen erschlagen und man sprach von einer wirtschaftspolitischen Katastrophe, die der Tod des Tankerkönigs ausgelöst hätte Und weiter hieß es, die gesamte Landespolizei und eine Bundeswehreinheit beteilige sich mit Suchhunden und Peilgeräten, Hubschraubern und Panzern an der Fahndung nach dem geisteskranken Mörder mit dem Kettenhemd und den Stulpenstiefeln Mir wurde ganz mulmig zumute und ich verrammelte die Bunkertür hinter mir und traute mich wochenlang nicht mehr raus.

Nach einer Weile fühlte ich mich so elend und einsam, dass ich schon anfing mit mir selbst zu reden Ich brauchte unbedingt einen Menschen mit dem ich sprechen konnte, aber einen der das mit dem Tankerkönig auch verstehen würde Und ich kannte keinen Aber dann hatte ich die Idee: Wenn schon kein Lebender da war, warum sollte ich dann nicht mit einem Toten reden Also schlich ich mich gegen Mitternacht aus dem Wald in den nächsten Ort Ich kannte da ein Haus in dem regelmäßig spiritistische Sitzungen stattfanden.

Und ich hatte auch Glück, die Sitzung war schon im vollen Gange Ich stieß die Tür mit dem Fuß auf, die MP in der Hand und rief: „Nur keine Panik meine Herrschaften und Hände auf den Tisch Aber kaum hatten die die Hände auf der Platte, fing der Tisch an zu wackeln, hob sich wie von selbst und schwebte dann einen Meter überm Fußboden Ich sagte „Kinder, macht doch keinen Quatsch, Hände hoch übern Kopf!" Sofort flogen die Hände in die Luft und der Tisch krachte wieder auf den Boden Und ich sagte „So, wer von euch ist hier der Ober-Druide? Macht mir mal ne Verbindung mit Ché Guevara, ich möchte jetzt endlich mal mit einem vernünftigen Menschen reden.

Erst wussten die gar nicht so richtig, wen ich da meinte, gaben sich aber sehr viel Mühe und endlich knackte es in der Leitung und ich hörte Ché Guevaras Stimme „Was wollt ihr von mir?" Ich sagte wer ich war und was ich angerichtet hatte und dass ich einen Rat brauchte Und die Stimmer fragte mich etwas ärgerlich, was das denn sollte und ob ich denn noch nie was von organisiertem Klassenkampf gehört hätte Ich sagte nee, hätte ich nicht Die Stimme schwieg einen Augenblick und sprach dann wesentlich freundlicher und tröstender weiter: ja da wäre mir nur sehr schwer zu helfen, ich wäre krank und ich sollte mal am besten zum Psychoanalytiker gehen.

Total deprimiert kroch ich zurück zum Bunker Als ich schon von weitem die Blechbüchsen klappern hörte die an dem Alarmdraht hingen, den ich um mein Versteck gespannt hatte Vor Schreck an allen Gliedern zitternd ging ich dann hin und sah einen VW da stehen mit einem nackten Pärchen auf dem Vordersitz Die Stoßstange hatte sich in der Alarmleitung verhakt, so dass die Blechbüchsen unausgesetzt schepperten.

Ich war so empört, dass ich dem Kerl die MP in den Rücken bohrte und ihn anschrie: „Sofort aufhören, das ist doch ,ne Schweinerei Weit und breit die unberührteste Natur und Sie machen hier solche Verrenkungen in Ihrer stinkigen Kiste Aber sofort raus in die Glockenblumen Der arme Mann jammerte mir die Ohren voll: „Warum haben Sie uns so erschreckt? Meine Bekannte hat ,n Krampf und jetzt hängen wa fest!" Das hatte mir gerade noch gefehlt.

Wir berieten erst mal ne Weile darüber, was wir da machen könnten und dass es das beste wäre, der Braut mit ner Nadel in den Schenkel zu stechen, so als Gegenschock, aber natürlich hatte keiner ,ne Nadel dabei Mir dauerte das alles zu lange Ich sagte: „Schluss jetzt!! Wenn ihr die Nadel haben wollt, müsst ihr schon die hundert Meter zum Nähkästchen robben Die Operation gelang dann auch Und erst als die beiden den Bunker wieder verlassen hatten wusste ich, dass ich einen furchtbaren Fehler begangen hatte.

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